Erhöhte Prüfpflichten für Betreiber eines Ärztebewertungsportals
Der Kläger, der eine Zahnarztpraxis mit insgesamt 10 Ärzten und 60 nichtärztlichen Angestellten betreibt, hat die Betreiberin des Ärztebewertungsportals "Jameda" auf Unterlassung in Anspruch genommen, eine über ihn veröffentlichte Bewertung zu verbreiten. Zudem soll die Beklagte verurteilt werden, ihm Auskunft über den Klarnamen des Autors des Beitrags auf der entsprechenden Internetseite und die weiteren der Beklagten zu diesem Autor vorliegenden Informationen zu erteilen.
Über den von der Beklagten betriebenen abrufbaren Internetdienst können Interessierte bei Eingabe bestimmter Suchkategorien, wie etwa medizinischer Fachgebiete, Informationen über Ärzte aufrufen. Darüber hinaus können registrierte Nutzer die Tätigkeit von Ärzten ohne Angabe ihres Klarnamens bewerten. Dabei wird in fünf vorformulierten Kategorien eine sich anhand der Skala von Schulnoten orientierende Beurteilung abgegeben. Zusätzlich können den Arzt betreffende Kommentare mit eigenen Worten niedergelegt werden. Ein anonymer Nutzer des Portals schrieb in seiner Bewertung, er könne den Kläger nicht empfehlen. Als Gesamtnote wurde eine 4,8 genannt, wobei in den Kategorien Behandlung, Aufklärung und Vertrauensverhältnis jeweils die Einzelnote 6 vergeben worden war. Der Kläger forderte die Beklagte per Email zur Entfernung der von ihm als Schmähung beanstandeten Bewertung auf und stellte dabei in Abrede, dass es einen Behandlungskontakt mit dem Verfasser der Bewertung gegeben hat. Die Beklagte entfernte den Beitrag zunächst, stellte diesen jedoch unter Hinweis auf eine zwischenzeitlich erfolgte Prüfung erneut unverändert in ihr Portal ein. Die ihr vorliegende Antwort des Nutzers zu der Beanstandung des Klägers leitete sie diesem unter Hinweis auf datenschutzrechtliche Bedenken nicht weiter.
Das Landgericht Köln hat der Klage des Zahnarztes stattgegeben. Das für die Berufungsinstanz zuständige Oberlandesgericht Köln hat auf Berufung der Beklagten hin mit Urteil vom 16.12.2014, Az. 15 U 141/14, das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Aus Sicht des Oberlandesgerichtes Köln steht dem Kläger gegen die Beklagte kein Anspruch auf Unterlassung der Veröffentlichung der in der Bewertungssparte des Internetportales abrufbaren Bewertung des Nutzers zu. Eine Haftung der Beklagten in ihrer Funktion als Hostprovider für den in ihrer Website eingestellten Drittinhalt vermochte das Oberlandesgericht Köln nicht zu erkennen. Insbesondere habe die Beklagte der ihr in Bezug auf die beanstandete Rechtsverletzung obliegenden Prüfungspflicht mit den von ihr ergriffenen und gegenüber dem Kläger kommunizierten Maßnahmen genügt. Die Beklagte war im konkreten Fall verpflichtet, auf die Beanstandung des Klägers hin, der Nutzer sei nicht bei dem Kläger in Behandlung gewesen, zu prüfen, ob es sich bei dem die Bewertung bloggenden Nutzer ihres Portals um einen Patienten des Klägers handelte. Dem sei die Beklagte nicht nachgekommen.
Auf die Revision des Klägers hin hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 01.03.2016, Az. VI ZR 34/15, das Urteil des Oberlandesgerichtes Köln aufgehoben und den Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Das Oberlandesgericht Köln sei grundsätzlich zutreffend davon ausgegangen, dass die beanstandete Bewertung keine eigene Behauptung der Beklagten ist, weil diese sich die Bewertung nicht inhaltlich zu Eigen gemacht hat. Eine Haftung der Beklagten kommt daher nur als mittelbare Störerin in Betracht, wenn die Beklagte die ihr zumutbaren Prüfungspflichten verletzt hat. Der Umfang der Prüfungspflichten, so der Bundesgerichtshof, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles. Maßgebliche Bedeutung kommt dabei dem Gewicht der beanstandeten Rechtsverletzung, den Erkenntnismöglichkeiten des Providers sowie der Funktion des vom Provider betriebenen Dienstes zu. Die dem Dienstanbieter auferlegte Prüfungspflicht darf sein Geschäftsmodell wirtschaftlich nicht gefährden oder seine Tätigkeit unverhältnismäßig erschweren. Allerdings trägt der Betrieb eines Bewertungsportales das Risiko von Persönlichkeitsverletzungen in sich, wobei die Gefahr durch die Anonymität der Bewertungen noch verstärkt wird. Zudem ist die Möglichkeit des betroffenen Arztes, gegen den Bewertenden direkt vorzugehen, durch die Anonymität erschwert. Die beklagte Portalbetreiberin war daher verpflichtet, die Beanstandung des betroffenen Arztes dem Bewertenden zu übersenden und ihn anzuhalten, ihr den angeblichen Behandlungskontakt möglichst genau zu beschreiben. Darüber hinaus hätte sie den Bewertenden auffordern müssen, ihr Unterlagen, wie etwa Bonushefte, Rezepte oder sonstige Indizien, die den Behandlungskontakt belegen, möglichst umfassend vorzulegen. Weiterhin hätte sie diejenigen Informationen und Unterlagen, zu deren Weiterleitung sie ohne Verstoß gegen § 12 Abs. 1 TMG in der Lage gewesen wäre, an den Kläger weiterleiten müssen.
In dem weiteren Verfahren vor dem Oberlandesgericht Köln haben die Parteien Gelegenheit, zu eventuell von der Beklagten ergriffenen weiteren Prüfungsmaßnahmen ergänzend vorzutragen.
Praxistipp
Betreiber eines Internetportals haften für Drittinhalte zumindest dann, wenn sie die ihnen obliegenden Prüfungspflichten verletzen. Negative Bewertungen müssen nicht hingenommen werden. Vielmehr lohnt es sich bei dem Dienstanbieter zu hinterfragen, ob der Eintrag auf einer tatsächlichen Erfahrung des Nutzers beruht, um sich so gegen unwahre Inhalte, die sich negativ auf die Sozialsphäre auswirken können, zu schützen. Es kann vom Betreiber der Plattform dann im nächsten Schritt die Unterlassung der weiteren Verbreitung der Inhalte verlangt werden.
Ihre Tiefenbacher Rechtsanwälte
Team Medizinrecht