Neues zur Arbeitszeiterfassung – Nach Wink mit dem Zaunpfahl kommt jetzt auch der Gesetzgeber „in die Gänge“
Nachdem das Bundesarbeitsgericht (BAG) am 13. September 2022 entschieden hat, dass Arbeitgeber verpflichtet sind ein System einzuführen, mit dem die von den Arbeitnehmer:innen geleistete Arbeitszeit erfasst wird und dafür Sorge zu tragen, dass dieses System auch genutzt wird (BAG - 1 ABR 22/21) – wir berichteten – ist nunmehr auch der Gesetzgeber in die Gänge gekommen. Am 18. April 2023 hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) den ersten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Arbeitszeitgesetzes vorgelegt. Mit dem Gesetzentwurf sollen im Lichte der Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH Rs. 55/18 CCOO – auch hierüber berichteten wird) und des Bundesarbeitsgerichts Regelungen zur Aufzeichnung der gesamten Arbeitszeit geschaffen werden
Mit diesem Beitrag möchten wir einen kurzen Überblick über die wesentlichen Inhalte des Entwurfs und zum weiteren Vorgehen geben.
I. Vorgaben zur Arbeitszeiterfassung
Der Gesetzentwurf sieht vor, dass Arbeitgeber zukünftig verpflichtet sind, Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit von Arbeitnehmer:innen jeweils am Tag der Arbeitsleistung elektronisch aufzuzeichnen. Dabei kann die Aufzeichnung auch durch Arbeitnehmer:innen selbst oder Dritte erfolgen. Der Arbeitgeber bleibt jedoch für die ordnungsgemäße Aufzeichnung verantwortlich.
Eine bestimmte Art der elektronischen Aufzeichnung soll nicht vorgeschrieben werden. Neben den bereits gebräuchlichen Zeiterfassungsgeräten kommen auch andere Formen der elektronischen Aufzeichnung mit Hilfe von elektronischen Anwendungen wie Apps auf einem Mobiltelefon oder die Nutzung herkömmlicher Tabellenkalkulationsprogramme in Betracht. Das bedeutet, dass auch die Führung von Excel-Listen möglich ist. Weiterhin soll auch eine kollektive Arbeitszeiterfassung durch die Nutzung und Auswertung elektronischer Schichtpläne möglich sein. Dies allerdings nur, wenn sich aus dem Schichtplan für die einzelne Arbeitnehmer:innen Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit ableiten lassen sowie Abweichungen von den im Schichtplan festgelegten Arbeitszeiten.
Die Aufzeichnungen sind für die Dauer des Beschäftigungsverhältnisses, längstens jedoch für zwei Jahre aufzubewahren.
Auf Verlangen hat der Arbeitgeber Arbeitnehmer:innen über die aufgezeichnete Arbeitszeit zu informieren und eine Kopie der Aufzeichnungen zur Verfügung zu stellen. Die Informationspflichten soll auch dadurch erfüllt werden können, indem Arbeitnehmer:innen, die sie betreffenden Aufzeichnungen im elektronischen Arbeitszeiterfassungssystem einsehen und Kopien anfertigen können.
II. Keine Abschaffung von Vertrauensarbeitszeit
Ausdrücklich soll nach dem Gesetzesentwurf die Vereinbarung von Vertrauensarbeitszeit auch weiterhin möglich sein. Dies erfolgt, indem der Arbeitgeber wirksam die Aufzeichnungspflicht auf Arbeitnehmer:innen übertragen kann und diese dann ihre Arbeitszeit frei gestalten und entsprechend aufzeichnen. Der Arbeitgeber ist aber nach dem Gesetzesentwurf verpflichtet, durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass ihm Verstöße gegen die gesetzlichen Bestimmungen zu Dauer und Lage der Arbeits- und Ruhezeiten bekannt werden. Dies stellt aber gerade keine Veränderung der bisherigen Rechtslage dar. Denn der Arbeitgeber ist auch schon jetzt dazu verpflichtet, bei Vertrauensarbeitszeit hierauf zu achten und erforderlichenfalls sicherzustellen, dass die gesetzlichen Vorgaben, insbesondere zu Höchstarbeitszeiten und Ruhezeiten eingehalten werden.
III. Aufatmen für tarifgebundene Unternehmen und Kleinbetriebe
Von der elektronischen Aufzeichnungspflicht ausgenommen werden sollen nach dem Gesetzesentwurf Arbeitgeber mit bis zu 10 Arbeitnehmer:innen. Die grundsätzliche Aufzeichnungspflicht besteht aber trotzdem.
Weiterhin sieht der Gesetzesentwurf eine klassische Tariföffnungsklausel vor. Danach sollen in einem Tarifvertrag oder aufgrund eines Tarifvertrages in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung Ausnahmen von den Vorgaben zur Arbeitszeiterfassung vereinbart werden können. Unter anderem soll vereinbart werden können, dass eine dauerhafte nicht elektronische Aufzeichnung oder eine zeitlich nachgelagerte Aufzeichnung möglich ist. Weiterhin soll vereinbart werden können, dass bestimmte Gruppen von Arbeitnehmer:innen aus der Pflicht zur Aufzeichnung der Arbeitszeiten herausgenommen werden.
IV. Übergangszeitraum und neue Bußgeldtatbestände
Der Gesetzesentwurf sieht vor, dass die Vorgaben zur elektronischen Arbeitszeiterfassung nicht sofort mit Inkrafttreten des Gesetzes umzusetzen sind. Vielmehr soll es eine nach Unternehmensgröße gestaffelte Übergangszeit zur Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben geben.
Verstöße gegen die Pflicht zur elektronischen Aufzeichnung der Arbeitszeiten und der Informationspflichten sollen zukünftig eine Ordnungswidrigkeit darstellen, die mit einer Geldbuße von bis zu 30.000 Euro geahndet werden können.
V. Fazit und Ausblick
Der Gesetzesentwurf des BMAS gibt eine erste Richtung für Arbeitgeber vor. Allerdings ist damit der Gesetzgebungsprozess und weiterer Diskurs erst eröffnet, denn das BMAS hat den Entwurf zur weiteren Abstimmung an das Kabinett geleitet.
Es bleibt zu hoffen, dass der Entwurf an einigen Stellen noch nachjustiert wird. Denn es ist z.B. nicht ersichtlich, warum für nicht tarifgebundene Arbeitgeber keine Möglichkeit bestehen soll, Ausnahmen von den Vorgaben zur Arbeitszeiterfassung mit ihren Betriebsräten oder Arbeitnehmer:innen zu vereinbaren. Weiterhin bleibt fraglich, ob aufgrund der Verpflichtung die Dauer der Arbeitszeit elektronisch aufzuzeichnen, auchverpflichtend Ruhepausen sowie deren Beginn und Ende aufzuzeichnen sind – dies sieht der Gesetzesentwurf zumindest ausdrücklich nicht vor.
Arbeitgeber, die bislang noch kein elektronisches Zeiterfassungssystem haben, können sich nunmehr also mit dem Gedanken der Einführung eines solchen anfreunden. Übereilter Aktionismus ist aber nicht zu empfehlen.
Für weitere Fragen steht Ihnen unsere Arbeitsrechtsteam gerne zur Verfügung, und dieses wird Sie auch über den weiteren Gesetzgebungsprozess auf dem Laufenden halten.