Probezeit im befristeten Arbeitsverhältnis und Auswirkungen auf die Wartezeit nach dem Kündigungsschutzgesetz

Heute möchten wir Sie über eine kürzlich ergangene Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg (Urteil vom 02.07.2024 – 19 Sa 1150/23) informieren, die für die meisten Arbeitgeber von erheblicher praktischer Bedeutung sein dürfte und dazu beiträgt, Klarheit für die Arbeitsvertragsgestaltung von befristeten Arbeitsverträgen zu schaffen.

I. Angemessenheit der Probezeit

Zur Umsetzung der europäischen „Richtlinie über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen“ (nachfolgend kurz „ABRL“) verlangt § 15 Abs. 3 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) seit dem 01. August 2022, dass die Probezeit im befristeten Arbeitsverhältnis im angemessenen Verhältnis zu der erwarteten Dauer der Befristung und der Art der Tätigkeit steht. Genaue Vorgaben darüber, wann die Länge der Probezeit angemessen ist, enthält die gesetzliche Regelung allerdings nicht.

II. Bisherige Rechtsprechung

In der Folgezeit mussten sich mehrere Instanzgerichte mit der Frage nach der angemessenen Dauer der Probezeit befassen und den unbestimmten Rechtsbegriff des „Verhältnisses“ mit Leben befüllen. Eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts steht noch aus.

So entschied das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein zum Beispiel (Urteil vom 18.10.2023 – 3 Sa 81/23), dass eine Probezeit, die die Hälfte der Befristungsdauer umfasst, grundsätzlich immer angemessen ist. Die Beachtung der besonderen Art der Tätigkeit könne zudem ausnahmsweise auch eine längere Befristung rechtfertigen.

III. Folgen einer unangemessenen Probezeit

In der zitierten Entscheidung stellte das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein weiterhin fest, dass eine unangemessen lange Probezeit an sich unwirksam ist und dazu führt, dass eine Kündigung mit der verkürzten Probezeitkündigungsfrist nicht möglich ist. Die unwirksame Probezeitkündigung ist dann grundsätzlich nach § 140 BGB in eine ordentliche Kündigung mit gesetzlicher Kündigungsfrist umzudeuten.

Die Frage, ob eine unangemessen lange und daher unwirksame Probezeit eine Auswirkung auf die parallel verlaufende kündigungsrechtliche Wartezeit im Sinne des § 1 Abs. 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) entfaltet, musste das LAG Schleswig-Holstein hingegen nicht näher thematisieren.

Nach § 1 Abs. 1 KSchG gelten die ersten sechs Monate einer Beschäftigung automatisch, ohne dass es einer ausdrücklichen Vereinbarung bedarf, als kündigungsrechtliche Wartezeit. In diesem Zeitraum kann das Arbeitsverhältnis ohne das Vorliegen eines besonderen – verhaltens-, personen- oder betriebsbedingten – Kündigungsgrundes durch den Arbeitgeber beendet werden.

IV. Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg

Die Arbeitsvertragsparteien vereinbarten ein auf ein Jahr befristetes Arbeitsverhältnis. Im Arbeitsvertrag wurde eine viermonatige Probezeit vereinbart, während der das Arbeitsverhältnis von beiden Vertragsparteien mit einer Frist von 2 Wochen gekündigt werden konnte. Zudem wurde die ordentliche Kündigung unbeschadet der vereinbarten Befristung ausdrücklich vorbehalten.

Noch in den ersten vier Monaten der Beschäftigung kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis „innerhalb der Probezeit ordentlich zum nächstmöglichen Zeitpunkt“, wogegen die Arbeitnehmerin Klage vor dem Arbeitsgericht Berlin erhob.

Das Arbeitsgericht Berlin entsprach dem Begehren der Klägerin nur teilweise, indem es feststellte, dass das Arbeitsverhältnis zwar nicht mit der verkürzten Probezeitkündigungsfrist, dafür aber mit der gesetzlichen Kündigungsfrist von 4 Wochen, beendet wurde. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen.

Gegen diese Entscheidung legten sowohl die Klägerin als auch die Beklagte Berufung bzw. Anschlussberufung ein.

Ihre Berufung begründete die Klägerin damit, dass die vereinbarte viermonatige Probezeit unangemessen lang sei und daher gegen § 15 Abs. 3 TzBfG verstoße. Dies hätte zur Folge, dass die Kündigung nicht nur mit der verkürzten Probezeitfrist, sondern insgesamt unwirksam sei. Dies vor dem nachfolgenden Hintergrund: Es bliebe angesichts der unwirksamen Probezeitvereinbarung für die Anwendung der ansonsten geltenden (Grund-)Kündigungsfrist von vier Wochen kein Raum. Es hätte hier das Kündigungsschutzgesetz außerhalb der Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG von Anfang an Anwendung gefunden bzw. die kündigungsrechtliche Wartezeit wäre verkürzt.

Die kündigungsrechtliche Wartezeit gem. § 1 Abs. 1 KSchG diene der Erprobung und ermögliche eine leichtere Lösung des Arbeitsverhältnisses, wie die Probezeit auch. Sie sei mithin auch eine Art „Probezeit“ im Sinne der europäischen ABRL und unterliege auch der Angemessenheitskontrolle. Da bei befristeten Arbeitsverhältnissen die ordentliche Kündigungsmöglichkeit ausdrücklich vereinbart werden muss, käme die kündigungsrechtliche Wartezeit nach § 1 KSchG erst durch Vereinbarung zur Anwendung. Eine Vereinbarung der gesetzlich vorgesehenen Wartezeit von sechs Monaten wäre nach den vorstehenden Grundsätzen für die Probezeit aber unangemessen lang und damit unwirksam. Dies führe dazu, dass auf das Arbeitsverhältnis von vorneherein das KSchG Anwendung finde und die Kündigung eines besonderen Kündigungsgrunds bedurfte. Jedenfalls sei die Wartezeit im Wege der richtlinienkonformen Auslegung auf die zulässige Höchstdauer der Probezeit zu reduzieren.

Die beklagte Arbeitgeberin hielt hingegen an der Wirksamkeit der Probezeitkündigung fest.

Das LAG Berlin-Brandenburg wies sowohl die Berufung der Klägerin als auch die Anschlussberufung der Beklagten als unbegründet zurück.

Im Rahmen der Urteilsbegründung stellte das LAG Berlin-Brandenburg fest, dass bei einer einjährigen Befristung grundsätzlich eine Probezeit von maximal 25 % der Gesamtdauer, also von 3 Monaten, angemessen ist. Für die Rechtfertigung einer längeren Probezeit ist es zusätzlich notwendig, dass diese aufgrund von Besonderheiten der Art der Tätigkeit erforderlich erscheint. Eine solche Notwendigkeit konnte die beklagte Arbeitgeberin aus Sicht des LAG Berlin-Brandenburg nicht ausreichend darlegen und beweisen.

Vor diesem Hintergrund bestätigte das LAG Berlin-Brandenburg die Unwirksamkeit der vereinbarten Probezeit, lehnte aber zugleich eine Auswirkung auf die Kündbarkeit des Arbeitsverhältnisses im Allgemeinen bzw. auf die Dauer der kündigungsrechtlichen Wartezeit ab. Der Kündigungsschutz nach dem KSchG trete auch bei befristeten Arbeitsverhältnissen nicht kraft Vereinbarung, sondern kraft Gesetzes ein und stelle gerade keine Probezeit dar. Auch ergebe sich aus der europäischen ABRL bzw. aus den dazugehörigen Erwägungsgründen nicht, dass der europäische Normengeber – neben der Regelung der Probezeit – auch noch eine Vorverlegung des Kündigungsschutzes nach dem KSchG intendierte.

V. Ausblick und praktische Bedeutung

Gegen die Entscheidung des LAG-Berlin-Brandenburg wurde für beide Parteien die Revision zugelassen. Es ist davon auszugehen, dass der Fall in der nahen Zukunft vom Bundesarbeitsgericht entschieden werden wird, wodurch sich ggf. weitere Erkenntnisse ergeben, über die wir Sie selbstverständlich informiert halten.

Bis eine höchstrichterliche Klärung der aufgeworfenen Fragen erreicht ist, ist allerdings bei der Vereinbarung von Probezeit im Rahmen befristeter Arbeitsverhältnisse besondere Vorsicht geboten.

So gilt es aus Gründen der Rechtssicherheit, Probezeiten, die über 25 % der Beschäftigungsdauer ausmachen, grundsätzlich zu vermeiden. Wird eine längere Probezeit im Einzelfall vereinbart, so sollten Sie als Arbeitgeber dokumentieren, weshalb diese aufgrund der Besonderheiten der Art der Tätigkeit gerechtfertigt ist.

Sprechen Sie uns gerne an! Unser Arbeitsrechtsteam steht Ihnen für alle Fragen rund um das Thema Gestaltung befristeter Arbeitsverträge in Ihrem Unternehmen gerne zur Verfügung.

zurück