Außerordentliche Kündigung wegen Weiterleitung betrieblicher Informationen an einen privaten E-Mail-Account

Liebe Leserin,
lieber Leser,

inwiefern es erlaubt ist, betriebliche E-Mails an den privaten E-Mail Account weiterzuleiten, beispielsweise um im Homeoffice zu arbeiten, ist seit längerem ein umstrittenes Thema – und das nicht nur im Rahmen alltäglicher Unterhaltungen zwischen Arbeitnehmern, sondern wie der vorliegende Fall zeigt auch in gerichtlichen Auseinandersetzungen mit dem Arbeitgeber. Das Weiterleiten an den privaten Account stellt für Arbeitnehmer häufig die bequemste und naheliegendste Möglichkeit dar, auch von zu Hause auf Informationen zugreifen zu können, die für die Arbeit benötigt werden. Dies kann ausnahmsweise der Vorbereitung eines Termins am nächsten Tag dienen oder zur regelmäßigen Arbeit im Homeoffice. Dieser Vorgehensweise steht aber das Interesse des Arbeitgebers entgegen, dass wertvolle betriebliche Daten nicht in die falschen Hände – vor allem von Konkurrenten – fallen.

Um eben diese Gefahr, also dass betriebsinterne Informationen an ein konkurrierendes Unternehmen gelangen könnten, ging es in dem kürzlich vom Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg entschiedenen Fall (LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16.05.2017, Az.: 7 Sa 38/17). Ein Vertriebsmitarbeiter eines Herstellers von Rückkühlanlagen zur Wärmeabführung in Industrieanlagen nahm aufgrund seiner Unzufriedenheit mit seiner beruflichen Entwicklung bei seinem Arbeitgeber Kontakt zu einem konkurrierenden Unternehmen auf und leitete im selben Zeitraum diverse betriebliche E-Mails an seinen privaten Account weiter.

Zum Zwecke der Datensicherung hatte das Unternehmen die Computer und Laptops der Angestellten mit einer Sicherheitssoftware ausgestattet, die ein Kopieren von Daten auf externe Speichermedien außerhalb des Netzwerkes verhindern sollte. Bei Bedarf konnte ein Legitimationsschlüssel angefordert werden, mit dem das Speichern auf externe Datenträger ermöglicht wurde. Zudem bestand eine arbeitsvertragliche Regelung, wonach Daten und Informationen, die auf privaten elektronischen Datenträgern gespeichert sind, auf Verlangen sofort, spätestens aber bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses, zu löschen sind. Die Arbeitgeberin stellte ihren Mitarbeitern ferner Laptops für den dienstlichen Gebrauch zur Verfügung, auf denen Daten abgespeichert werden und die über einen externen Zugang auf das Netz der Arbeitgeberin zugreifen konnten. Ob dieser Zugang auf dem Dienstlaptop des betroffenen Arbeitnehmers eingerichtet war oder ob er sich damit nur über eine Dockingstation bei der Arbeitgeberin in das Firmennetzwerk einloggen konnte, war zwischen den Parteien streitig.

Fest stand jedoch, dass zumindest drei der an den privaten E-Mail-Account weitergeleiteten Nachrichten ein von einem Kollegen betreutes Projekt mit Angebots- und Kalkulationsgrundlagen, technischen Daten und Berechnungsparametern sowie Vertragsentwürfen und Wartungsverträgen betraf. Die Gespräche des Arbeitnehmers mit dem potenziellen neuen Arbeitgeber waren darüber hinaus jedenfalls soweit gereift, dass der Arbeitnehmer eine E-Mail folgenden Inhalts erhielt: „Anbei der neue Vertragsentwurf. Wir haben Ihren Urlaub auf 30 Tage erhöht … Bitte teilen Sie uns noch Ihr Geburtsdatum mit, damit Ihr Arbeitsvertrag rechtzeitig vollständig erstellt werden kann.“ Der Arbeitnehmer leitete diese Unterlagen an seine dienstliche Adresse weiter und ließ sich noch am selben Tag von einer Kollegin den geldwerten Vorteil nach Maßgabe des in diesem Anschreiben ebenfalls beigefügten Fahrzeugüberlassungsvertrags ausrechnen.

Nachdem dieser Vorgang der Arbeitgeberin bekannt wurde, stellte sie den Arbeitnehmer im Beisein des Betriebsrates zur Rede, stellte ihn daraufhin frei und erklärte in der Folge die außerordentliche Kündigung. Im Verfahren vor dem LAG Berlin-Brandenburg wandte sich der klagende Arbeitnehmer gegen die außerordentliche Kündigung. Neben einer angeblich fehlerhaften Betriebsratsanhörung trug der Kläger insbesondere vor, es fehle an einem wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung. Das Arbeitsgericht hielt die Kündigung für rechtsunwirksam, da die Weiterleitung der E-Mails vom Arbeitsvertrag gedeckt gewesen sei und es keine konkreten Anhaltspunkte für den Verdacht der beklagten Arbeitgeberin gegeben habe, dass der Kläger die Daten an Dritte – insbesondere den neuen Arbeitgeber – habe weitergeben wollen.

Das LAG folgte in zweiter Instanz der Ansicht der Beklagten und sah in dem Weiterleiten der E-Mails durch den Kläger eine Vorbereitung für die Tätigkeit bei einem neuen Arbeitgeber, die als schwerwiegende Verletzung der vertraglichen Rücksichtnahmepflichten (§ 241 Abs. 2 BGB) zu werten sei, da es keine Notwendigkeit zur Übertragung der dienstlichen Daten auf den privaten Account gegeben habe. Sofern kein besonderer Grund besteht, dürften Arbeitnehmer weder betriebliche Daten noch Kommunikationsmittel privat nutzen. Auch sei diese schuldhafte Verletzung von Nebenpflichten „an sich“ geeignet, einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB darzustellen und damit eine fristlose außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Insoweit zog es vor allem die Erwägung heran, dass das Verhalten gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 b UWG sogar strafbewehrt sei, wenn die Unterlagen ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis betreffen. Des Weiteren hielt das Gericht die Verhandlungen mit dem neuen Arbeitgeber für weit genug gediehen, um davon auszugehen, dass der Kläger die Daten nicht – wie von ihm behauptet – zum Abgleich von Kontaktdaten bzw. zur Arbeit von zu Hause aus benötigte, sondern diese für seine neue Tätigkeit und damit für einen Konkurrenten verwenden wollte. Daher entschied es, die Kündigung sei auch im konkreten Einzelfall unter Abwägung der beiderseitigen Interessen ohne vorherige Abmahnung gerechtfertigt aufgrund der Gefährdung der Interessen des Arbeitgebers.

Praxistipp:

Unter welchen Voraussetzungen mit welchen technischen Mitteln im Homeoffice gearbeitet werden darf oder zu welchen sonstigen Zwecken Daten auf Geräte außerhalb des Büros übertragen werden dürfen, sollte spätestens nach dem Urteil des LAG Berlin-Brandenburg von jedem Arbeitgeber detailliert geregelt und von jedem Arbeitnehmer sorgfältig beachtet werden. Denn selbst wenn es nicht tatsächlich zur Weitergabe von sensiblen Daten an Konkurrenten kommt, kann, wie der vorliegende Fall zeigt, schon das bloße Weiterleiten von dienstlichen E-Mails an einen privaten E-Mail Account eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen und aufgrund des Vertrauensverlustes auch notwendig machen. Neben der Möglichkeit, dass Konkurrenten an sensible Informationen gelangen, besteht zudem im Falle des Weiterleitens von Daten außerhalb des geregelten Betriebsablaufs stets die Gefahr, gegen datenschutzrechtliche Vorschriften zu verstoßen – und die diesbezüglichen gesetzlichen Sanktionen haben sich durch das Inkrafttreten der Datenschutz-Grundverordnung am 25. Mai 2018 erheblich verschärft.

Gerne beraten wir Sie ausführlich zu diesem komplexen Thema, sowohl aus arbeitsrechtlicher als auch aus datenschutzrechtlicher Sicht.

zurück