Haftung des Apothekers bei Schädigung von Patienten infolge grob fehlerhafter Arzneimittelabgabe

Das Oberlandesgericht Köln hat mit Urteil vom 07.08.2013, Az.: 5 U 92/12, der Klage eines Patienten auf Schadenersatz sowohl gegenüber den behandelnden Ärzten als auch gegenüber dem versorgenden Apotheker wegen eines groben Behandlungsfehlers bzw., bezogen auf den Apotheker, einer grob fehlerhaften Arzneimittelabgabe, stattgegeben. Der Patient wurde im Jahr 2006 mit einem Down-Syndrom und einem Herzfehler (Falot'sche Tetralogie) geboren. Für September 2006 war eine Herzoperation geplant. Dem behandelnden niedergelassenen Kinderkardiologen wurde durch die Klinik eine Medikamentenliste zur Behandlung des Patienten übersandt, welche u. a. das Medikament Lanitop mit der Angabe „2 x 1 gtt“ enthielt, wobei mit „gtt“ Tropfen gemeint sind. In dem durch den behandelnden Kinderarzt unterzeichneten Rezept war das Medikament Lanitop mit dem Zusatz „50 Tbl.“ versehen. Die Tabletten enthalten die gegenüber Tropfen achtfache Dosierung des Digitaliswirkstoffes. Die Mutter des Patienten löste das Rezept in der Apotheke des mitverklagten Apothekers ein, dem die Situation des Patienten bekannt war und die Medikamentenliste der behandelnden Klinik vorlag. Die Mitarbeiterin des Apothekers händigte der Mutter des Patienten 50 Tabletten aus, wofür eine Packung mit der Größe von 100 Tabletten geteilt werden musste. Da die Darreichungsform nur für Erwachsene und Heranwachsende vorgesehen ist, empfahl die Mitarbeiterin des Apothekers der Mutter des Patienten, die Tabletten aufzulösen und dem Patienten einzuflößen. Nach der Einnahme des Medikamentes kam es bei dem Patienten zum Herzstillstand mit nachfolgender Reanimation über einen Zeitraum von 50 Minuten, in dessen Folge der Patient einen erheblichen Entwicklungsrückstand aufweist.

Das Oberlandesgericht Köln hat die Grundsätze, die für einen grob fehlerhaften Behandlungsfehler des Arztes gelten, auch auf das Handeln des Apothekers angewandt. Aus Sicht des Gerichtes traf den Apotheker sowie seine Angestellten die Pflicht, die Abgabe des Medikamentes an die Eltern des Patienten zu unterlassen bzw. zu verhindern, jedenfalls aber die Eltern des Kindes auf die Fehlmedikation hinzuweisen und den Verkauf bis zur Klärung der Angelegenheit mit dem behandelnden Arzt zu verweigern. Den Apotheker treffen berufsrechtlich Beratungspflichten hinsichtlich der von ihm abgegebenen Medikamente, die im Hinblick auf die mit dem Kaufgegenstand einhergehenden Gefahren für Leib, Leben oder Gesundheit des Käufers über die allgemeinen Warn- und Hinweispflichten eines Verkäufers hinausgehen. In Anbetracht der nicht für ein Kleinkind bzw. Säugling bestimmten Dosis und Darreichungsform war der Apotheker gehalten, sich eigene Gedanken über die Richtigkeit und Sinnhaftigkeit der Verordnung zu machen und im vorliegenden Fall beim behandelnden Arzt nachzufragen. Den Apotheker treffen insoweit ebenfalls entsprechende Organisations-, Instruktions- und Überwachungspflichten hinsichtlich seines Personals. Der Apotheker war daher gehalten, alle seine Angestellten im Hinblick auf den Fall des Klägers richtig zu instruieren, zumal ihm die Medikamentenliste der Kinderklinik vorlag.

Der beklagte Apotheker, der ein Augenblicksversagen seiner Angestellten eingewandt hat, drang damit nicht durch. Das Oberlandesgericht Köln vermochte das Fehlverhalten der Angestellten und des Apothekers nicht auf eine kurzfristige Unaufmerksamkeit zurückzuführen, da sowohl die Dosis als auch die Darreichungsform für einen Säugling nicht geeignet waren und dies sich für den Apotheker förmlich aufdrängen musste.

Zu beachten ist die Auffassung des Oberlandesgerichtes Köln, wonach die bei der Arzthaftung anerkannte Umkehr der Beweislast für den Kausalzusammenhang zwischen Behandlungsfehler und Schaden auch für die Haftung des Apothekers gelten soll. Hat mithin der Apotheker einen Fehler begangen, der in objektiver Sicht nicht mehr verständlich erscheint, weil er einem Apotheker schlechterdings nicht unterlaufen darf, führt dies zur Umkehr der Beweislast hinsichtlich der oben genannten Kausalität. Das Oberlandesgericht Köln sah trotz des Fehlens entsprechender Regelungen in den Vorschriften des Patientenrechtegesetzes keinen Grund gegen eine Übertragung der Beweislastregeln auf den Apotheker. Ferner sah das Gericht die Anwendung der Grundsät-ze des groben Behandlungsfehlers auf vergleichbar schwerwiegende Fehler des Apothekers als geboten an, da dies die gleichgelagerte Sach- und Interessenlage erfordere. Im Weiteren wird auf die vergleichbaren Beweiserleichterungen im Bereich der Arzneimittelhaftung Bezug genommen.

Inwieweit dies vor dem Hintergrund, dass der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung zum Patientenrechtegesetz explizit das Vertragsverhältnis zwischen einem Patienten und einem Apotheker nicht als Behandlungsverhältnis eingestuft hat, richtig ist, erscheint zumindest fraglich. Die Revision zum Bundesgerichtshof wurde durch das Oberlandesgericht wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Die Ansicht des BGH bleibt daher abzuwarten. Gleichwohl sollte man sich als Apotheker seiner auch in § 20 Apothekenbetriebsordnung verankerten Beratungspflichten und den hiermit einhergehenden Organisations-, Instruktions- und Überwachungspflichten hinsichtlich des Personals stets bewusst sein.

Ihre Grit Hofmann
Rechtsanwältin

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